Umsatzsteuer bei Kleinunternehmern

Nach § 19 Abs. 1 UStG wird die Umsatzsteuer von Kleinunternehmern nicht erhoben, wenn deren Umsatz

  • im vorherigen Jahr nicht höher als 22.000 € war und zudem im laufenden Jahr 50.000 € voraussichtlich nicht überschreiten wird bzw.
  • im Gründungsjahr voraussichtlich 22.000 € nicht überschreiten wird.
    (Achtung: Das ist kein absoluter Wert! Wer nicht im Januar startet, muss den erwarteten Umsatz daher monatsbezogen umrechnen. Wer etwa am 25.7. startet, erfüllt diese Bedingung nur, wenn der Umsatz maximal die Hälfte des Höchstbetrags erreicht.)

Das eigentliche Ziel der Regelung ist nicht (wie oft angenommen) eine Unterstützung für kleine Unternehmen, sondern sie soll den Verwaltungsaufwand bei Kleinunternehmern und Steuerverwaltung senken. Daher ist die Kleinunternehmerregelung in der strengen Juristenlogik keine "Steuerbefreiung", sondern die Steuer wird zur Vereinfachung nicht erhoben. – Da das in der Praxis aber keinen Unterschied macht, werden wir sie im Folgenden dennoch manchmal als Befreiung bezeichnen. 

Die Kleinunternehmer-Regelung gilt automatisch: Wer sie in Anspruch nehmen will, braucht gar nichts zu tun. Wer sie nicht will, weil mit der Befreiung Geld verloren geht, kann nach § 19 Abs. 2 UStG auf die Umsatzsteuerbefreiung verzichten und nimmt dann am Umsatzsteuerverfahren teil. Dazu genügt beim ersten Kontakt mit dem Finanzamt ein Kreuzchen auf dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Wer es sich erst später überlegt, kann dem Finanzamt eine formlose Mitteilung schicken ("Ich verzichte hiermit auf die Umsatzsteuerbefreiung für Kleinunternehmer"), die dann jedoch fünf Jahre lang bindend ist. Ebenso gilt als fünfjähriger Verzicht auf die Regelung, wenn auch nur von einem einzigen Kunden Umsatzsteuer erhoben wird. (Ein ebenso beliebter wie oft teurer Fehler.)

Möglich ist ein Wechsel der Besteuerung immer nur zum Jahreswechsel: Wer die Grenze von 22.000 € überschreitet, wird erst mit dem Beginn des folgenden Jahres steuerpflichtig. Wessen Umsatz danach wieder unter 22.000 € fällt – dann allerdings inklusive der vereinnahmten Umsatzsteuer (!) –, ist vom nächsten Jahresbeginn an erneut befreit (es sei denn, im Verlauf der letzten fünf Jahre wurde der Verzicht auf die Befreiung erklärt). Und Obacht: Die Umsatzgrenzen muss man selbst beobachten. Vom Finanzamt bekommt man keinen Hinweis, ab wann man steuerpflichtig wird.

Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9, Abs. 1 UstG ist ebenfalls nur zum Jahreswechsel möglich – aber auch rückwirkend: Wer merkt, dass er in den letzten Jahren mit Umsatzsteuerpflicht besser gefahren wäre, kann den Verzicht immer noch für alle Steuerjahre erklären, für die noch kein Steuerbescheid vorliegt und für Bescheide, "solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder auf Grund eines Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO noch änderbar ist", wie das Finanzministerium im Schreiben vom 2.8.2017, III C 3 - S 7198/16/10001 erläutert. Normale Kunden sollten in solchen Fällen die Mehrwertsteuer für vergangene Jahre problemlos nachzahlen, wenn sie darum gebeten werden: Diese Zahlung kostet sie keinen Cent, da sie die wieder als Vorsteuer abziehen können. Von welcher Rechnung an bei einem solchen Wechsel die Umsatzsteuer erhoben werden muss bzw. entfallen kann, steht in einem Detailtext.

Die Befreiung von der Umsatzsteuer ist derzeit (zum 1.1.24 soll das geändert werden) keine Befreiung von der Umsatzsteuer-Jahreserklärung, wohl aber (eigentlich) von der Umsatzsteuer-Voranmeldung: Gemäß Absatz 4a im § 18 UStG ist die "nur für die Voranmeldungszeiträume abzugeben, in denen die Steuer für diese Umsätze zu erklären ist" zum anderen und vor allem sind nach Abs. 2 jene mit Voranmeldungen zu verschonen, deren Umsatzsteuer im Vorjahr weniger als 1.000 € betrug. Auch wenn dort zur Befreiung ein "kann" steht, heißt das für das Finanzamt: Ohne triftigen Grund darf eigentlich keine Voranmeldung verlangt werden.
Trotzdem wird ärgerlicherweise seit Anfang 2019 zunehmend auch von Kleinunternehmen die eine Umsatzsteuer-ID haben und/oder in Europa Geschäfte machen, die Abgabe von Voranmeldungen gefordert. Damit soll der Umsatzsteuerbetrug bei europäischen Karussell-Geschäften vermindert werden, berücksichtigt wird jedoch nicht, "dass insbesondere Kleinunternehmer oftmals eine USt-ID für mögliche Eventualitäten beantragen, ohne überhaupt grenzüberschreitend tätig zu werden." wie der Deutsche Steuerberaterverband in einem Schreiben an das Finanzministerium vom 1.3.2019 moniert. (Bis Ende 2018 war es generelle Praxis, dass niemand Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgeben musste, wenn die Umsatzsteuerschuld unter 1.000 € liegt.)
Die fällige Jahresmeldung für Kleinunternehmen ist schnell erledigt. Im Kern geht es um fünf Zahlen: Zwei im Bereich B (Zeilen 33/34 im Hauptvordruck für das Jahr 2022 und Zeilen 20/21 im Vordruck für 2023) sowie jeweils eine Null in der Berechnung (Zeilen 167-199 bzw. 115-119). Selbstverständlich muss die Erklärung elektronisch abgegeben werden und das gilt auch für die vierteljährlichen Voranmeldungen.

Die Steuerbefreiung und auch der Verzicht darauf gelten immer für die unternehmerische Person, also für alle Geschäfte, die sie macht. Oder  wie es Haufe ausdrückt: "Zum umsatzsteuerlichen Unternehmen gehören sämtliche Betriebe oder beruflichen Tätigkeiten desselben Unternehmers" und nennt als Beispiel: "So kann z. B. ein freiberuflich tätiger Rechtsanwalt eine selbstständig ausgeübte Aufsichtsratstätigkeit nicht nach der Kleinunternehmerregelung abrechnen (lassen), wenn er mit seinen Gesamtumsätzen (Einnahmen als Rechtsanwalt und als Aufsichtsratsmitglied) die Grenzen übersteigt." – Ein Aufsplitten ihrer Erwerbstätigkeit in einen umsatzsteuerpflichtigen und einen umsatzsteuerfreien Teil ist also nicht erlaubt.
Probleme bekommt auch die Selbstständige, die an verschiedenen Firmen – etwa GbRs – beteiligt ist, in denen eine gleiche oder vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird. Das wird im Zweifel als Konstruktion gewertet, um mittels geschickter Verteilung der Umsätze von der Kleinunternehmerregelung zu profitieren.
Grundsätzlich ist es natürlich möglich, an mehreren Unternehmen beteiligt zu sein, dass all diese Unternehmen unter der Grenze von 22.000 € bleiben und damit die Selbstständige auch insgesamt keine Umsatzsteuer abführen muss. Dann aber sollten sich die Beteiligungen an den einzelnen Firmen (bzw. deren Unternehmenszweck) deutlich unterscheiden, um Ärger zu vermeiden. Den dürfte beispielsweise eine Journalistin bekommen, die sich an drei Pressebüros beteiligt und über diesen Umweg effektiv über 22.000 € mit der gleichen Tätigkeit erzielt. Hier ist  immer eine Detail- und Einzelfallbetrachtung fällig, aber die Gerichte neigen zu einer engen Auslegung wenn "aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich [ist], dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen lediglich ein Steuervorteil bezweckt wird", wie es das Finanzgericht Berlin-Brandenburg, in einem Urteil vom 21.06.2017 (Az. 7 K 7096/15) ausdrückte. Dabei ging es um eine Steuerberaterin, die an insgesamt sechs KGs beteiligt war, die im Kern das Gleiche anboten. Aus den Umständen habe sich ergeben: "Eine Zurechnung der Umsätze der KGs zur Klägerin hat ... unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmissbrauchs zu erfolgen."
Eine Buchung gleicher oder sehr ähnlicher Umsätze einer Kleinunternehmerin bei nur formal verschiedenen Steuersubjekten ist "rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 42 AO" urteilte auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz im Herbst 2017 (Az. 3 K 1461/16). Die Entscheidung hat der Bundesfinanzhof im Juli 2018 bestätigt (Az. XI R 36/17) und sogar verschärft, indem allen am Missbrauch Beteiligten – der Klägerin selbst sowie der GbR, die sie mit ihrem Mann gegründet hatte – die Anwendung der Kleinunternehmensregelung versagt wurde, denn: "Mit der planmäßigen Aufspaltung und künstlichen Verlagerung von Umsätzen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen mit dem Ziel, so die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten, wird der Vereinfachungszweck des § 19 UStG verfehlt und die Kleinunternehmerregelung missbräuchlich in Anspruch genommen." Eine entsprechende Beurteilung durch das Finanzamt ist nur dann zu entkräften, wenn überzeugend dargelegt wird, dass die Beteiligung an den verschiedenen Firmen jenseits der steuerlichen Gründe erfolgte.

Wer nicht das ganze Jahr unternehmerisch tätig ist - etwa weil die Gründung nicht zum 1. Januar erfolgt - muss für die entsprechenden Monate die Jahresumsätze anteilig berechnen. Hier bestimmt § 19 UStG (Ende des dritten Absatzes): "Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt."

In bestimmten Berufen kann von der Kleinunternehmer-Regelung trotzdem legal profitieren, wessen Gesamtumsatz über der Grenze von 22.000 € liegen – siehe dazu den nächsten Text.


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